2009

Aufruf

Aufgrund der Ereignisse im AZ am frühen Morgen des 14. März 2009, an dem mit 200 Beamten von Polizei, Ordnungsamt und Zoll das AZ gestürmt wurde, wird die Autonome 1. Mai Demonstration dieses Jahr nicht wie üblich am Platz der Republik starten, sondern vorm Autonomen Zentrum.

Vor nunmehr 23 Jahren -anno 1986- ist die autonome 1. Mai Demonstration aus der DGB Demo links abgebogen. Inhaltliche Differenzen und die Einsicht, dass mit deutschen Gewerkschaftsverbänden keine radikale Politik und Gesellschaftskritik machbar ist, haben den autonomen Teil der Demonstration zur Gründung ihrer eigenen unangemeldeten und selbstbestimmten Demo bewogen. Diese findet seitdem jedes Jahr statt und ist bundesweit eine der letzten regelmäßig unangemeldet stattfindenden 1. Mai Demonstrationen.
Oft werden wir gefragt:» Warum meldet ihr die Demo nicht an, dann hättet ihr den Stress nicht?!« oder: »was soll das jährliche Spektakel noch, bringt doch eh nichts außer Ärger?!« Mit diesem Demoaufruf und Diskussionsbeitrag wollen wir versuchen, unter anderem hierauf Antworten zu geben. Eine Anmeldung hindert die Polizei, sowie die ihnen übergeordneten politisch Verantwortlichen nie daran, eine Demonstration anzugreifen, aufzulösen, einzukesseln oder in jeglicher sonstiger Art und Weise ihren Ausdruck einzuschränken. Die Proteste in und um Heiligendamm sind hierfür ein bekanntes Beispiel unter vielen. Eine Anmeldung und die damit verbundenen ellenlangen Demo-Auflagen dienen vielmehr der Kontrolle des Protestes durch die Staatsmacht. Dichte Polizeispaliere und eine vollständige Videographierung der Demonstrationen machen eine Vermittlung von Inhalten sowie kreativen Protest beschwerlich bis unmöglich.
Den in militärischer Logik geführten und logistisch groß geplanten Angriffen auf unseren Widerstand, wie z.B. der Angriff auf die letztjährige 1. Mai Demo in Wuppertal mit über 200 Festnahmen und mehreren Verletzten und dem Überfall aufs AZ unter dem Vorwand des Jugendschutzes, wollen und können wir nicht mit derselben militärischen Logik begegnen. Mit dem massiven Einsatz von Repressionsmitteln jeglicher Art auf angemeldete oder unangemeldete Demos setzt die Staatsmacht auf Abschreckung, Entmutigung und Isolierung linker autonomer Proteste. Das gelingt ihnen leider auch immer wieder, denn die Teilnahme an einer Demo wird somit zunehmend unattraktiver und riskanter.
Um dem etwas entgegen zu setzten und um zu zeigen, dass wir uns gemeinsam davon nicht kleinkriegen lassen, rufen wir dazu auf, wieder mit vielen Menschen aus unterschiedlichen linken Bündnissen und Initiativen, alt und jung, bunt und schwarz am 1. Mai, dem traditionellen Kampftag aller Unterdrückten, auf die Straße zu gehen! Denn die Straße ist ein umkämpftes Terrain, lasst uns darum kämpfen! Gesellschaftliche Konflikte werden ebenso wenig wie früher in Interessenverbänden, Ausschüssen oder anderen Kungelrunden gewonnen werden können, sondern auf der Straße, laut, bunt, einfallsreich, solidarisch, gemeinsam.

»Wir wollen uns frei und selbstbestimmt bewegen, wo und wann wir das für richtig halten.«

»Wir wollen unsere Wut über die widerwärtigen Verhältnisse auf die Strasse tragen.«

»Wir wollen Erfahrungen sammeln und üben, was es heißt, ein völlig anderes Leben jenseits des täglichen Konkurrenz-Kleinkrieges zu führen. Dies bedeutet, in all unseren Kämpfen ein Stück Utopie vorweg zu nehmen.«

»Wir wollen im Vorfeld, auf und nach der Demo Visionen von anderem, solidarischem Leben entwickeln und durchsetzen, soziale Kämpfe anpacken und lostreten.«

RECLAIM THE STREETS!

Lasst uns hüpfen, rennen, kämpfen…

…auf der Straße gegen Privatisierung und Sozialkahlschläge. Jeglicher Privatisierungsprozess ist immer ein Prozess der Abschaffung öffentlicher Kontrolle. Aber auch staatliche Kontrolle enthält immer Momente von Ausschluss, da eine wirkliche Mitbestimmung nicht existiert. Im Zuge der Debatte um Verstaatlichung oder Einkauf des Staates in Unternehmen wie die Hypo Real Estate wird sich daran nichts ändern, da die Parteien und Staatsbeamten lediglich im Rahmen der kapitalistischen Sachzwänge bereit sind zu handeln.

Es geht um die Garantie der gesellschaftlichen Infrastruktur und soziale Sicherheit für ALLE, statt Garantien für Banken und Groß-Unternehmen. Es geht um Basisdemokratie und Vergesellschaftung der Produktionsmittel anstatt Verstaatlichung. Milliarden werden in die Aufrechterhaltung des Kapitalismus und den mit ihm verbundenen Unterdrückungsapparat gesteckt, um uns auf der anderen Seite allen Ernstes zu erzählen, es sei kein Geld da für bestehende soziale Errungenschaften wie z.B. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe aber auch Jugendzentren, Schwimmbäder und Kultureinrichtungen. Alles wird nach dem kapitalistischen Prinzip berechnet und bewertet. Da Investitionen in soziale und kulturelle Einrichtungen aber keinen Profit einstreichen, werden sie einfach gegen Null gekürzt.

Wir können nicht darauf hoffen, dass wir durch Bitten ein paar mehr Cent zugeworfen kriegen. Wir fragen nicht nach mehr Geld sondern stellen das System in Frage.

Wir stellen den Anspruch auf Selbstorganisation und Selbstermächtigung statt Repräsentanz durch irgendwelche Organisationen.

LEBENSQUALITÄT STATT LEBENSSTANDARD – SICHERUNG! // MUSSE STATT ARBEITSZWANG UND LEISTUNGSDRUCK! // SELBSTBESTIMMTE BESCHÄFTIGUNG STATT LOHNARBEIT!

Lasst uns aufstehen, tanzen, diskutieren…

…auf der Straße gegen die weiteren Einführungen, den Ausbau und die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen, wie z. B. das neue BKA-Gesetz, in dem u.a. die Trennung von Polizei und Geheimdiensten (eine Konsequenz, die aus den Erfahrungen der Nazizeit gezogen wurde) de facto abgeschafft wird.
Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen, Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten in Konsumtempeln und Vorratsdatenspeicherung gaukeln den ?Normalbürger_innen? Sicherheit vor. Hier geht es nicht um eine tatsächliche Sicherheitslage, sondern um ein diffuses Bedrohungsgefühl in der Gesellschaft, u.a. geschürt durch permanent gehypte Horrormeldungen. Diese Faktoren führen nahezu zwangsläufig zu Gesetzesverschärfungen. Forderungen nach, und Neubauten von neuen Knästen, da die alten zu voll sind, entspringen dem gleichen repressiven Gedankengut. Massive Kontrollen durch Polizei und Ordnungsamt von Obdachlosen, Punks, Sperrmüllsammler_innen, Drogenuser_innen, laute und lustige Kneipenbesucher_innen usw. sind zum Alltag geworden und nehmen uns jeglichen Raum auf Anderssein entgegen dem akzeptierten Mainstream und der gesellschaftlichen Normisierung. Ekelhafte und erniedrigende Sonderbehandlungen von Migrant_innen und Flüchtlingen sind gesetzlich festgeschrieben wie z.B. durch das Asylgesetz, die Residenzpflicht und Arbeitsnachweise.
Unsere Forderungen zielen nicht auf ein besseres Konzept sozialer Kontrollen und Einschränkungen, sondern auf ein anderes umfassenderes System der Konfliktlösung.

FREIRÄUME STATT REPRESSION!

Lasst uns kreiseln, schreien, lospreschen…

…auf der Straße gegen Bundeswehreinsätze im Inneren, aber eigentlich für die Abschaffung der Bundeswehr an sich. Die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft und die Normalisierung der militärischen Präsenz machen uns Angst. Soldat zu sein ist kein normaler Beruf, wie es Jugendlichen mit nur geringer Chance auf einen Ausbildungsplatz vorgegaukelt wird. Ein Soldat wird ausgebildet zum Töten. Panzer und Soldaten haben auf Straßenfesten und Plätzen, Werbeoffiziere haben in Schulen bei Berufsfindungsveranstaltungen nichts zu suchen. Mit Krieg werden zunehmend Arbeitsplätze geschaffen und hängen durch die Auslagerung militärischer Logistik an zivile Unternehmen zunehmend vom Krieg ab. Wenn die DHL dieses Jahr den Zuschlag für die Lagerung und den Transport aller Bundeswehrlogistik erhält, wird die sich ausdehnende Zivilmilitärische Zusammenarbeit eine neue Dimension erreichen. Mit Krieg sollen Zugänge zu Ressourcen gesichert und Profite gesteigert werden. Andererseits werden mit Krieg Lebensgrundlagen zerstört.

DHL OLIVGRÜN OUTEN!
BUNDESWEHR WEGTRETEN!

HERAUS ZUM AUTONOMEN 1. MAI 2009 IN WUPPERTAL!

IF I CAN?T DANCE, I DON?T WANT TO BE PART OF YOUR REVOLUTION!

NICHT NUR EIN LACHEN WIRD ES SEIN, WAS EUCH BEERDIGT!

AUTONOMES ZENTRUM