2020

Aufruf

Heraus zum autonomen 1. Mai in Wuppertal!

Wir rufen trotz, nein, gerade wegen der Corona-Pandemie zu einem erst recht widerständigen und autonomen 1. Mai auf. Der massive Angriff auf Grundrechte, die drastische Zuspitzung der autoritären Formierung zu einem Polizeistaat (denn was sonst ist ein Staat, in dem die Polizei bestimmt, wer sich wie, wann und wo mit wem treffen darf?), die aufziehende Weltwirtschaftskrise, deren Folgen natürlich auf die Rücken der Prolet_innen, der Prekären, der Ausgestoßenen und Unterdrückten abgewälzt werden soll, schreien nach offensiven Antworten.

Und diese Antworten müssen wir möglichst schnell finden! Die vergleichbare Gemütlichkeit, mit der wir in der Zeit vor Corona agieren konnten, ist jetzt vorbei. Alle Menschen, die das Ziel einer für alle besseren, gerechten und freien Welt nicht einfach stillschweigend begraben wollen, müssen jetzt leider viel mehr Risiko eingehen, als es noch vor kurzem der Fall war und schwerer noch, müssen wir viel mehr Mitstreiter_innen finden, als wir sie bisher hatten!

Unter diesen Umständen wollen wir diesen 1. Mai dafür nutzen, neue (oder alte auffrischende) Erfahrungen mit klandestinem (verdecktem, subversivem) Handeln zu sammeln. Es wird eine große Herausforderung, dem Bullenapparat ein Schnippchen zu schlagen und gleichzeitig viele Menschen mit unseren Ideen und Diskussionsbeiträgen zu erreichen.
Dafür brauchen wir Geschick, Organisation, Entschlossenheit, viel Witz und ein klein bisschen Glück.

Unser Vorschlag geht so: Kommt am 1. Mai in Wuppertal auf die Straße! Organisiert euch in Bezugsgruppen, seid aktionsbereit, in der Lage euch unauffällig zu bewegen und möglichst mobil dabei. Wenn ihr keine Infos zu organisierten Aktionen habt, wartet nicht auf diese, sondern handelt autonom! Wir fordern auch explizit Menschen und Zusammenhänge aus anderen Städten auf, die Reise nach Wuppertal zu wagen!

Streich eins - Autononomer 1. Mai 2019 in der WiesenstraßeEs wird organisierte Aktionen geben! Haltet unbedingt Augen und Ohren offen, um an die entsprechenden Infos zu kommen. Seid flexibel und denkt mit. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass wir die Bullen auf dem falschen Fuß erwischen können! Was folgt, ist also Streich zwei unter erschwerten Bedingungen. Der 1. Mai kann nicht konsumiert werden – ob das Vorhaben gelingt, hängt von uns allen ab!

Treffpunkt ist wie jedes Jahr, das Autonome Zentrum um 14 Uhr. Ihr seid schlau, ihr wisst Bescheid!
Was jedoch in diesem Jahr aller Voraussicht nach nicht wie in üblicher Form stattfindet, ist das Straßenfest nach der Demonstration auf dem Schusterplatz.

Ja – die Zeiten schreien nach Revolution! Und das nicht erst seit Corona. Wo wir hinschauen, Klimakrise oder Kriege und weltweite Bewegungen von Flüchtenden, die über den Planeten ziehen. Nicht zu vergessen, die brutale Ausbeutung. Überall Verhältnisse auf die sich keine, auch nur ansatzweise menschliche Lösung in den herrschenden kapitalistischen Zuständen andeutet. Aber „Lösungen“ an sich haben die Herrschenden genug, die eine ist fieser und brutaler als die andere.

Die Corona-Pandemie verschärft diese Verhältnisse! Die tiefe Menschenverachtung, die aus dem Umgang der Europäischen Union mit den in Lager gepferchten Menschen auf den griechischen Inseln hervorgeht, spricht Bände. Während für deutsche und europäische Urlauber_innen Luftbrücken geschaffen werden, oder Menschen aus Osteuropa unter miesester Bezahlung, hygienisch untragbaren Bedingungen und somit bewusster Inkaufnahme von Infektionen zur Spargelernte eingeflogen werden, werden die ohnehin schon katastrophalen Zustände zugespitzt. Wenn die Bundesregierung sich dann äußert, ganze 50 Jugendliche aus den Lagern nach Deutschland zu holen, ist das reinster Zynismus und an Widerwärtigkeit kaum zu überbieten. Wie der kapitalistische Markt funktioniert ist nicht neu und dennoch erzeugt es bei uns ein unfassbares Gefühl von Wut, Trauer und Hilflosigkeit. Der Tod und das Leid tausender Menschen wird zugelassen und bewusst erzeugt, weil diese nicht verwertbar sind.

Zwei Monate sind seit den rassistischen Anschlägen in Hanau vergangen und in der Flut der Corona-Nachrichten droht die Aufmerksamkeit und das Gedenken an die Opfer (nicht nur in den Medien) zu verschwinden. Für die betroffenen Menschen in Hanau sind aber die Trauer, Angst und Wut nicht verschwunden. Die Angst bleibt, dass sich eine solche Tat wiederholen könnte, dass einfach wieder zur Tagesordnung übergegangen wird, dass vergessen wird. #SayTheirNames – In Erinnerung an:
Ferhat Unvar
Gökhan Gültekin
Hamza Kurtović
Said Nesar Hashemi
Mercedes Kierpacz
Sedat Gürbüz
Kalojan Velkov
Vili Viorel Păun
Fatih Saraçoğlu

Während in den letzten Wochen und Monaten Politiker_innen Migration erneut zum Problem erklären, anstatt den Rassismus in den eigenen Institutionen zu bekämpfen, schaffen sie einen Nährboden für rechte Gewalt und für weitere rassistische Taten. So wurde am 7. April der 15-jährige Êzîde Arkan Hussein Khalaf in Celle brutal ermordet. Aus seiner Heimat, dem Şengal im Nordirak, flüchtete er mit seiner Familie 2014 nach dem Völkermord an den Êzîd_innen durch den selbsternannten „Islamischen Staat“ (IS). Wie viele Andere suchte er hier Schutz vor Gewalt und Verfolgung und wurde dennoch am 7. April von einem Deutschen erstochen. Die Tat erinnert an weitere Morde an Menschen mit migrantischem Hintergrund. Genau deshalb muss in dieser Situation über Rassismus als eine Motivation für diese tödliche Gewalt gesprochen werden.
Wir werden weiter genau hinsehen und gegen jeden Rassismus und Faschismus im Alltag, auf der Straße, in den Institutionen und in der Politik sowie Gesellschaft kämpfen. Wir gedenken allen Opfern rechter und rassistischer Gewalt in Deutschland und weltweit.

Die autoritäre Formierung zeigt sich aktuell auch in ganzer Deutlichkeit. In Wuppertal kennen wir den Polizeistaat zunehmend, seit Polizeipräsident Röhrl seinen Feldzug gegen die Autonomen, gegen Migrant_innen, gegen alle die ihm nicht passen begonnen hat. Ständige Kontrollen unter Missachtung jeglicher Privatsphäre, Razzien unter dem Label „Bekämpfung der Clankriminalität“, Kriminalisierung ganzer Gruppen sind alltäglich geworden. Die Geschichten sind nicht neu und werden immer weiter geschrieben. Doch besser werden sie nicht. Die Coronasituation wirkt da wie die Legitimation aus dem Krimi einen Thriller zu machen, neue Charaktere einzufügen und die Spannungen zu steigern. Die Geschichte des autoritären Staates, des unerbärmlichen Kapitalismus und der ständigen Überwachung ist die Gruselgeschichte, die uns aus diversen Gründen nachts nicht schlafen lässt. Selbst das den Demokrat_innen sonst so wichtige Grundgesetz wird mit einer Leichtigkeit ausgehebelt. Die Polizei und deren Recht&Ordnung-liebende Begleiterscheinung das Ordnungsamt, dürfen sich nun noch willkürlicher als ohnehin schon, als exekutive Aufseher_innen der Nation aufführen und fleißig „Anzeigen gegen das Infektionsschutzgesetz“ verteilen. Da wird so mancher Beamt_innentraum wahr…
Auch die geplante Überwachung mittels einer Corona-App oder das Weitergeben von Infiziertenlisten durch Gesundheitsbehörden an die Polizei lässt jegliche Persönlichkeitsrechte unter dem Deckmantel des gemeinsamen Infektionsschutzes verschwinden. Diese nicht neue, aber rasant gewachsene Entwicklung ist gefährlich. Denn wenn die Daten einmal gesammelt sind, ist die Verlockung groß diese auch zu nutzen – nicht nur für den Zweck des vermeintlichen Infektionsschutzes. Wenn Gesetze einmal beschlossen sind, Daten erhoben und Befugnisse erteilt, ist es manchmal kompliziert dieses wieder rückgängig zu machen. Das Akzeptieren dieser autoritären Maßnahmen bietet den Nährboden für weitere Verschärfungen. Eine Begründung dafür wird der Staat immer finden – nur werden wir diese nicht hinnehmen!

Die Pandemie, die jetzt alle verrückt macht und die ja tatsächlich noch unzählige Menschenleben kosten wird, wäre übrigens längst nicht so eine Katastrophe, gäbe es eine weltweite solidarische Gesundheitsversorgung. Auch in Deutschland, wo es wieder Mal im Vergleich noch gut aussieht, wurde das Gesundheitssystem in den letzten Jahrzehnten von Gesundheitskonzernen wie u.a. Helios, Asklepios, Sana und Agaplesion ausgepresst. Bezahlen müssen das die Patient_innen und das massiv ausgebeutete Pflegepersonal, welches von den Milliarden, die die Konzerne vom Staat bekommen, mal wieder nichts sehen soll. Die Ausbeutung trifft neben dem Pflege- und Medizinpersonal auch andere Berufe, die „das System am Laufen halten“ – Einzelhandelsmitarbeiter_innen, Zusteller_innen, Logistik, soziale Berufe… Anstelle von Lohnerhöhungen und Unterstützung gibt es Lob durch Politiker_innen, Applaus am Fenster, die Ode an die Freude und die allgemeine Übereinstimmung, für den Klassenerhalt unerlässlich zu sein – gemeinsam schaffen „wir“ das. Tja, wer braucht da wohl noch mehr Lohn?
Auch sind unsere Gedanken bei den Menschen, die ohnehin schon unter massivsten Freiheitseinschränkungen leiden. In den Knästen sind die Maßnahmen noch einmal härter als sonst und das (Über-)Leben der Eingeknasteten hängt besonders in dieser Situation an der Willkür des Systems. Schutzmaßnahmen, wie Abstand zu anderen oder Hygienestandards, wie Desinfektion werden nicht eingehalten oder die Menschen werden noch mehr als sonst isoliert. Nicht verwunderlich, richtig und auch notwendig, dass es im Zusammenhang mit der Pandemie in verschiedenen Staaten zu Ausbrüchen und Revolten gegen das Knastsystem kam, teilweise mit Schwerverletzten und Getöteten, teilweise mit erfolgreicher Fluchtgeschichte. Hier möchten wir die Revolten in dem Frauenknast in Thiva, nach dem Corona-Tod einer Gefangenen die keine medizinische Hilfe bekam, den Aufstand im Abschiebeknast Gradisca D`Isonzo nachdem Gefangene in Hungerstreik getreten waren oder den Ausbruch von 1350 Gefangenen während Riots in brasilianischen Knästen an nur einem Tag erwähnen. Ebenso in Spanien, Portugal und sonstwo auf der Welt lassen sich dieser Tage die Geschichten von Aufständen, Ausbrüchen und Hungerstreiks in den Gefängnissen erzählen.
Aber auch durch die repressiven Maßnahmen und die allgegenwärtigen Kontrollen „draußen“ werden Opfer gefordert. Im französischen Béziers nahm die Stadtpolizei am 9. April Mohamed Gabsi gewaltsam fest, da sich der 33-jährige ohne festen Wohnsitz nach der verhängten Sperrstunde auf der Straße aufhielt. Bewusstlos wird der Vater von drei Kindern in einem Polizeiwagen zum Polizeirevier verschleppt, wo er leblos aufgefunden wird. Im Stadtteil Anderlecht in der belgischen Hauptstadt Brüssel kam es am 11.04. zu Riots, nachdem der 19-jährige Jugendliche Adil starb als er vor einer Polizeikontrolle im Rahmen der Ausgangssperren fliehen wollte und von einem Polizeiauto angefahren wurde. Die ganze Nacht über flogen Steine, Bullenkarren brannten und die Cops wurden angegriffen. Die Wut über den Tod des Jugendlichen entflammte in dieser Nacht und traf die Staatsmacht. Auch im chinesischen Wuhan kam es zu einem Aufstand, nachdem die Bewohner_innen daran gehindert wurden ihre Region zu verlassen. Die Menschen dort griffen ebenfalls die Cops an, um sich gegen diese repressive Einschränkung ihres Lebens zu wehren, genau wie in Kapstadt oder im englischen Bristol, wo die Cops nach Verkündung der Ausgangssperre Jugendliche belästigten und als Antwort Steine und Flaschen bekamen. To be continued…
Auch das #stayhome-Privileg soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Zuhause bleiben kann nur, wer ein sicheres oder überhaupt ein Zuhause hat. Anstatt Menschen ohne Unterbringung zu versorgen, werden sie kriminalisiert, wenn sie sich an ihren Plätzen aufhalten, weil sie gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen würden. Auch steigt die Gewalt im häuslichen Umfeld durch die akute Situation – keine Möglichkeit, sich woanders (Freund_innen, Cafés, etc.) aufzuhalten, unbestimmte Zukunft, finanzielle Unsicherheit durch beispielsweise Jobverlust oder Kurzarbeit. Auch die sozialen Folgen der akuten Lebensumstände müssen thematisiert werden. Neben den fehlenden zwischenmenschlichen Kontakten gehört die Abstraktion menschlicher Kontakte durch Videochats und Messenger zu den Dingen, die uns Sorgen bereiten.
So bleibt eines eindeutig: Wer sowieso schon unterdrückt, ausgebeutet, erkrankt, abgehängt und isoliert ist, den_die trifft die akute Situation und die Folgen der Pandemie enorm.
Wenn die Wirtschaft über den Menschen steht, Arbeiter_innen ihre Gesundheit riskieren müssen, notwendige Schutzmaßnahmen, wie das zur Verfügung stellen von ausreichendem Schutzmaterial nicht getroffen werden, dafür aber das Sitzen auf einer Bank zur Straftat wird, zeigt sich noch einmal in aller Deutlichkeit, warum wir dieses System, welches uns krank macht, uns ausbeutet und uns zwingt, den Profit über unser Wohlergehen zu stellen, so sehr verachten.

Doch gibt es neben der ganzen Gesamtscheiße, die sich momentan wieder in ihrem vollen Glanz präsentiert, auch Dinge, die uns erfreuen. So gab es in diesem Jahr rund um den 8. März wieder viele gute Aktionen. In Wuppertal hat die anarcha-queer*feministische Nachttanzdemo erfolgreich, laut und kämpferisch, aber nicht ohne Polizeirepression stattgefunden. In anderen deutschen Städten und weltweit sind millionen FLINT* auf die Straße gegangen und haben demonstriert oder sich zu anderen Aktionsformen entschieden, um ihre Wut gegen die patriarchalen Verhältnisse zum Ausdruck zu bringen. An dieser Stelle grüßen wir das anarcha-queerfeministische Hausprojekt Liebig34 in Berlin, die am 30.04. ihren Gerichtstermin zur Räumungsklage haben.
Wir sind uns sicher, dass die nächsten Jahre hart werden. Wann das Pandemie-Regime endet, ist unklar und es ist sicher, dass es in ein Wirtschaftskrisenmanagement-Regime übergeht. Auch über andere Langzeitfolgen und deren Ausmaße können wir nur spekulieren. Aber was uns in den letzten Wochen wirklich Mut gemacht hat, sind die beginnenden weltweiten Aufstände. Und auch quer durch die Republik gab es zunehmend mehr Demonstrationen, Kundgebungen und sogar militante Aktionen. Dass es doch einige Menschen gibt, die sich von den verschärften Bedingungen nicht lähmen lassen, gibt uns Hoffnung und wir werden viel, viel Kraft benötigen. Die Krise ist da und mit ihr endet die Welt, wie wir sie kannten und ein neues Kapitel wird aufgeschlagen. Daran wird niemand etwas ändern können. Doch dabei, wer die Krise bezahlt und wie dieses neue Kapitel aussehen soll, wollen wir – verdammte Scheiße! – ein Wörtchen mitreden!

Shut down capitalism – Für die soziale Revolution!

Wir grüßen die 1.Mai-(Vorabend-)Demos und Aktionen in Hamburg, Leipzig, Berlin, London, Basel, Hannover, Paris, Nürnberg, Greifswald, Köln, Bern und alle Menschen auf der Welt, die nicht nur am 1. Mai und trotz Ausnahmezustand auf die Straße gehen! Und natürlich alle Menschen, die sich in Hamburg, Erfurt und sonstwo den Nazis und Rechtspopulist*innen entgegen stellen!


Der autonome 1. Mai in Wuppertal war wie letztes Jahr geprägt von Überraschungen!

Und diese Überraschungen haben die Bullen kalt erwischt und darüber freuen wir uns! Doch vielleicht fangen wir mal damit an, was so geschehen ist im Tal.

Angefangen hat es in der Nacht vom 30.04. auf den 01.05. mit einer Demonstration über den Ölberg, begleitet von Feuerwerk und anderen tollen Lichtern und (Sound-)Effekten. Auf unserem Weg durch die Elberfelder Nordstadt haben einige Nachbar*innen an ihren Fenstern mit uns gefeiert, dass der 1. Mai begonnen hat. So konnten wir frohem Mutes mit Streich zwei unter erschwerten Bedingungen in den Tag starten. Bereits beim ersten Streich im letzten Jahr konnten wir die Bullen auf dem falschen Fuß erwischen und so dem Bullenapparat ein Schnippchen schlagen. Davon ab ist es gelungen, für kurze Zeit das de facto Außerkraftsetzen des Demonstrationsrechts zu durchbrechen. Zumindest für eine kurze Zeitspanne konnten wir die Dunkelheit zum Leuchten bringen.

Der Vormittag startete mit einer massiven Bullenpräsenz in der ganzen Nordstadt. Am Autonome Zentrum (AZ) standen schon am Tag zuvor andauernd Bullen herum, wartend auf Menschen, die irgendetwas mit dem AZ zu tun haben, um diese zu nerven und zu belagern, mit Kontrollen und Durchsuchungen. Ab mittags sperrten die Cops Teile der Gathe und die Markomannenstraße rund um das AZ damit sich dort bloß keine Menschen sammeln konnten. Pünktlich um 14:00 Uhr hatten sich trotz Corona etwa 100 (BFE-)Bullen überwiegend friedlich am AZ versammelt, um zu demonstrieren und anderthalb Stunden lang andächtig anarchistischen Redebeiträgen (u.a. der diesjährige Aufruf und ein Beitrag der FAU Bergische Land) und der Musik zu lauschen…

Soli-Kundgebung mit den Pfleger*innen und anderen Menschen des kaputtgesparten Gesundheitssystems am Helios Klinikum in Wuppertal-Barmen

In der ganzen Stadt patroullierte Team Blue und verfolgte am Cafe Tacheles und der Trasse in Barmen teilweise Menschen, die ihnen verdächtig vorkamen. Nichtsdestotrotz haben es mittags um kurz nach 13 Uhr rund 30 Menschen ohne Bullenbegleitung zum Helios Klinikum (die Helios-Kliniken-Gruppe ist einer der größten Anbieter von stationärer und ambulanter Patient*innenversorgung Europas) geschafft, wo eine solidarische Kundgebung mit den Pfleger*innen und anderen Menschen des kaputtgesparten Gesundheitssystems abgehalten wurde. Warum eine Kundgebung genau da? In den vergangen Jahren wurde der Arbeitskampf in den pflegerischen Berufen zumindest in Wuppertal nicht großartig thematisiert. Genau das wollten wir ändern. Denn in diesen Zeiten der Corona-Pandemie wird häufig von sogenannten „ALLTAGSHELD*INNEN“ gesprochen, doch wo war diese Bezeichnung vor dem Ausbruch des Coronavirus? Und wo wird sie danach sein? Weder vor, noch nach der Corona-Pandemie werden gerade die Pfleger*innen richtig gewürdigt oder auch nur ansatzweise gerecht bezahlt. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, am Helios Klinikum in Barmen eine Kundgebung zu machen, um zu betonen, dass die Situation der Pfleger*innen weder vor, noch nach der Corona-Pandemie eine hinnehmbare Situation ist. Deshalb ist es wichtig, dass die vorhandenen Arbeitskämpfe in der Pflege solidarisch begleitet werden, wie z.B. in Solingen, wo das städtische Klinikum privatisiert werden soll, weshalb sich dort rund 20 Menschen versammelten um dagegen zu protestieren. Diesen Mut zum Arbeitskampf begrüßen wir gerade in Zeiten der Corona-Pandemie sehr!

Die Bullen, wie immer schlechte Verlierer

Da das Straßenfest auf dem Schusterplatz aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden konnte, gab es den Aufruf an Anwohner*innen des Ölbergs ein dezentrales Schusterplatzfest zu gestalten und dazu aus den Fenstern Lautsprecherboxen mit Musik zu stellen und Transparente rauszuhängen. Dem Aufruf folgten auch einige Anwohner*innen und so dröhnte Musik durch die Straßen und auf den Schusterplatz. Zudem waren bis zum Abend viele Menschen im Viertel unterwegs. Doch leider auch viele viele Bullen, die es sich nicht nehmen ließen Menschen gehörig auf die Nerven zu gehen, zu verletzen und schlussendlich auch festzunehmen. Begonnen hatten die Bullen damit Menschen, die unter einem schönen Transparent in der Gertrudenstraße Musik hörten und kühle Getränke genossen, zu belagern. Angeblich hätten die Menschen dabei den Mindestabstand nicht eingehalten, weshalb ihnen die Bullen Platzverweise erteilten. Währenddessen liefen zwei Menschen mit Kindern vorbei und kritisierten das Verhalten der Bullen im Vorbeigehen. Dies nahmen die Bullen zum Anlass diese Menschen massivst zu bedrohen. So wurde Haft der Erwachsenen angedroht mit Folge, dass die Kinder in eine Kindernotaufnahme müssten. Dieses ekelhafte Verhalten der Bullen übertrifft vieles was wir schon erlebt haben, doch leider war es mit dieser Schikane nicht getan. Die Eskalation wurde von den Bullen weiter getrieben, denn die Nachricht über die Festsetzung der Personen ging schnell um auf den sozialen Netzwerken und im Viertel, was viele Menschen dazu brachte auf die Straße zu kommen und den Bullen zu zeigen, dass sie mit ihrem Scheißverhalten nicht einfach so durchkommen. Hier schon einmal tausend Dank an die tollen Nachbar*innen die sich solidarisch gezeigt haben, denn das ist es was unseren Kiez ausmacht!
Leider blieb es nicht bei diesen Übergriffen der Bullen. Kurze Zeit später wurde ein Mensch auf dem Fahrrad in der Schneiderstraße am Schusterplatz „zum Schutz von Leben und Gesundheit jedes Einzelnen konsequent“ (Zitat aus der Polizeipressemitteilung vom 29.04.) vom Fahrrad geprügelt, da dieser nach Meinung der Bullen wohl zu lange vor einer losfahrenden Wanne stand. Der Mensch wurde brutal auf den Boden gedrückt, mit Stiefeln im Nacken und verdrehten Armen. Menschen die herbei eilten um das Geschehen zu beobachten und zu kritisieren, wurden weggeschubst und angeschrien. Schnell rannte ein Trupp Cops herbei um die unverhältnismäßige Maßnahme der Kolleg*innen zu „schützen“. Schützen doch vor was? Vor Menschen die den Bullen die Meinung sagen darüber dass sie sich scheiße Verhalten? Anscheinend muss das für Bullen sehr gefährlich sein. Denn schnell folgte die zweite Festnahme einer Person, an einer nahegelegenen Wanne. Dort wurden der Person unter Schmerzgriffen Handschellen angelegt. Durch die Schmerzensschreie der Person in Handschellen kamen noch mehr Nachbar*innen auf die Straße und der Druck auf die Bullen erhöhte sich immer mehr.. Von allen Seiten wurden sie angeschrien und dazu aufgefordert sich vom Berg zuverpissen und die Leute aus dem Viertel in Ruhe zu lassen. Weitere Menschen, die sich lautstark gegen die gewalttätige Festnahme aussprachen, die Geschehnisse mit dem Handy dokumentieren wollten oder solidarisch herbeieilten, wurden ebenfalls brutal zu Boden gestoßen, von mehreren Cops mit den Rufen “Zecke, wir kriegen dich” über den Schusterplatz gejagt und zum Teil ebenfalls rabiat festgenommen. Nachdem sich immer mehr Umstehende und Anwohner*innen (teils aus den Fenstern) am Ort des Geschehen einfanden, sich einmischten und gegen den Polizeieinsatz protestierten verteilte die Polizei Platzverweise an alle Anwesenden (inklusive einem Anwalt, der vor Ort war). Mit Verstärkung der herbeigeeilten Hundertschaft wurden die Leute, die sich solidarisch zeigten und ihren Unmut gegenüber den unverhältnismäßigen polizeilichen Maßnahmen ausdrückten, vom Schusterplatz abgedrängt. Solidarische Nachbar*innen informierten örtliche Pressevertreter*innen über den unverhältnismäßigen Einsatz der Bullen, woraufhin diese auch kamen und so gut es ging versuchten zu dokumentieren. In der Nacht kam es vor einem Kiosk auf dem Ölberg zu einer weiteren Ingewahrsamnahme. Erst am nächsten Morgen wurden die fünf Personen wieder aus dem Polizeipräsidium entlassen.
Dass der Einsatzleiter am Abend zu keiner Aussage gegenüber der Presse bereit war, überrascht nicht. Augenscheinlich war mal wieder Patrick Gröteke von der Wache Hofkamp, der hinsichtlich seiner politischen Überzeugungen schon seit längerem bekannt ist, für den Einsatz verantwortlich.
Als Reaktion auf die Repression gab es in der Nacht Menschen, die im Stadtgebiet Pyrotechnik zündeten sowie mehrere Hausbesetzungen u.a. in Unterbarmen. Den Bullen wurde also keine ruhige Nacht geschenkt! Es wurde ihnen gezeigt, dass sie nicht einfach durchdrehen können in unserem Kiez ohne das sich etwas regt, sei es auf der Straße direkt oder heimlich in der Nacht mit Soliaktionen und ähnlichem.

Die nächsten Monate und Jahre werden weiter von massiven weltweiten (sozialen) Kämpfen geprägt sein, diese werden sich durch die anlaufende Weltwirtschaftskrise zuspitzen und verschärfen. In dieser Zeit ist es dringend notwendig, trotz der erschwerten Bedingungen durch die Corona-Pandemie Kampfformen zu entwickeln, die die Herrschenden unter Druck setzen können. Mögliche Ansätze konnten auch in Wuppertal am und vor dem 1. Mai gesehen werden (z.B. Aktionen gegen den Stromanbieter WSW und SPD, wegen Stromsperren und brutaler Antimigrationspolitik von Deutschland und der EU, auch die Sabotage an Ticketautomaten war gut, denn die Klimakrise geht weiter!).

Gute Ansätze aber…

Bei aller Freude, dass es uns immer wieder gelingt, die Bullen zu natzen und Überraschungsmomente zu erzeugen, müssen wir sehen, dass wir derzeit zu wenig(e) auf der Straße sind, um eine notwendige Bewegungsdynamik zu erzeugen (daran hat auch die Zuspitzung der Lage durch die Corona-Pandemie nichts geändert). Wenn wir die über Jahrhunderte erkämpften Rechte, die wir in der bürgerlich-kapitalistischen „Demokratie“ noch haben, verteidigen müssen und darüber hinaus die ja notwendigen emanzipatorischen sozialen Kämpfe führen wollen, müssen wir noch eine kräftige Schippe drauf legen!

Die Kämpfe gegen die Faschist*innen, gegen den autoritären Staat (der in Shopping Malls Corona-Parties organisiert, aber jede demonstrative Regung unterdrücken will), die durch die kapitalistische Wirtschaftsweise hervorgerufene Klimakatastrophe und gegen die sich jetzt verschärfenden sozial-digitalen Angriffe bleiben Tagesaufgabe!
Gegen das mörderische Migrationsregime, Hunger, Ausbeutung und Krieg hilft letztlich nur eins:
Die soziale Revolution und der Aufbau einer freien und gerechten Gesellschaft.


Impressionen

Einsatzleiter Patrick Gröteke droht dem Anwalt mit Ingewahrsamnahme


Fundstücke #3

Aachen: Überall Polizei, nirgendwo Gerechtigkeit – Soli-Grüße nach Wuppertal

Vandalismus gegen Bullenpropaganda!

Seit einigen Wochen tauchen überall in der Stadt Plakate auf, die Menschen in „systemrelevanten“ Berufen unter dem Motto „Helden des Alltags“ danken sollen. Dazu werden zum Beispiel Busfahrer*innen, Pfleger*innen aber eben auch Bullen gezählt. Abgesehen davon, dass nur ein „Dankeschön“ den Menschen, die tatsächlich wertvolle Arbeit leisten, wenig weiterhilft, finden wir, dass Bullen weder ein Dankeschön noch sonst irgendetwas außer unserem Hass verdient haben! Im Anbetracht der massiven Polizeipräsenz überall, den Reperessionen, die alle treffen, die sich gegen das rassistische, autoritäre System wehren, haben wir uns deshalb entschlossen, die Propaganda der Stadt zu korrigieren.

Am 1.Mai hat die Bullerei erwartungsgemäß mit allen Kräften versucht, das Infektionsschutzgesetz und die Corona-Pandemie als Vorwand zu benutzen, Proteste auf der Straße brutal zu unterbinden. Wuppertal ist einer der Orte, an dem sich Menschen davon nicht haben einschüchtern haben lassen und die Tradition des autonomen 1. Mais aufrecht erhalten haben. Die Wuppertaler Bullen reagierten wieder einmal unverhältnismäßig brutal. Wir werden nicht schweigen, wenn die Bullen Menschen einsperrren und verprügeln, die ihrer Wut mit Transparenten und Feuerwerk Ausdruck verleihen!
Solidarische Grüße gehen deshalb insbesondere raus an alle widerständigen Demonstrant*innen am ersten Mai in Wuppertal und überall und an alle von Polizeigewalt Betroffenen.


Material

Plakat:

Heraus zum autonomen 1.Mai 2020 in Wuppertal

Aufkleber:

Heraus zum autonomen 1.Mai in Wuppertal


Irgendwie, irgendwo, irgendwann

Ein Blick über Wuppertal hinaus:

Aufruf zum libertären 1. Mai in Barcelona: Weder eingesperrt noch geknebelt

Diese ersten Monate des Jahres 2020 waren weltweit voller Kämpfe und Aufstände: seit den Protesten in Chile, den ständigen Demonstrationen im französischen Staat, seit den Unruhen in Griechenland, den Kämpfen auf den Straßen Mexikos. Wir befinden uns in einer Zeit, in der verschiedene soziale Kämpfe auf den Straßen widerhallen, wo sie stärker und sichtbarer werden. Es scheint, dass der Staat immer mehr Probleme hat, die Normalität zu garantieren, die er so sehr will, um das kapitalistische Spektakel aufrechtzuerhalten. Und obwohl die ersehnte globale Revolution nicht in die Gegenwart zu passen scheint, gibt es zweifellos immer noch Individuen, die mit ihren eigenen Mitteln die Flamme der Revolte am Leben erhalten und sich weigern, ihr Leben in den Händen des Staates zu lassen.

Alle diese Ereignisse sind vorerst mit der durch COVID-19 oder dem so genannten Coronavirus verursachten Gesundheitskrise in den Hintergrund getreten. Am 31. Dezember 2019, als die ersten Fälle dieses Virus in China gemeldet wurden, konnte sich niemand vorstellen, wie sich die Ereignisse entwickeln würden. Und im Moment scheint es auch ziemlich schwierig, sich vorzustellen, wie sie enden werden. In keinem Fall wollen wir die Situation verharmlosen oder die kollektive Paranoia verstärken, sondern wir glauben, dass es wichtig ist, unseren Standpunkt zu der Situation, die wir erleben, darzulegen.

Innerhalb nur einer Woche hat die soziale Kontrolle dramatisch zugenommen und das Schlimmste ist, dass die Bevölkerung nicht reagiert hat (oder zumindest das Gefühl, das seitdem in der Stadt Barcelona herrscht). Sie haben es nicht nur geschafft, das Verlassen des Hauses zu einer sanktionierbaren Handlung zu machen, wenn es nicht zum Arbeiten oder zur „Deckung der Grundbedürfnisse“ dient, sondern sie haben dies auch ohne Widerstand getan. Auf diese Weise wird auch einmal mehr gezeigt, dass Arbeit die grundlegende Grundlage dieses Systems ist und dass jeder Kampf, der es beenden will, mit Lohnarbeit konfrontiert wird. Mit den Informationen, die uns zur Verfügung stehen, ist es unmöglich festzustellen, ob all diese „Vorsichtsmaßnahmen“ eine Bedeutung haben, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Wissenschaft immer im Dienst der Macht stand und dass die Macht sie immer genutzt hat, um das zu erreichen, wonach sie in jeder Ära gesucht hat. Wir möchten auch betonen, dass diese Maßnahmen die Figur des Staates zumindest in den Köpfen der Bevölkerung zum Beschützer der Städte machen.

So wurde auch die Situation der arbeitenden und prekären Menschen stark beeinträchtigt, entweder durch das ERTE (vorübergehende Regularisierung der Beschäftigung) oder durch die Nichterlangung des Monatslohns (ob Personen mit oder ohne Vertrag). Bei alledem ist es auch wichtig, die Subventionendie der Staat privaten Unternehmen gewährt, hervorzuheben und die damit verbundene wirtschaftliche Belastung.

Jetzt ist es wichtig zu analysieren, wer davon profitiert und wer die Konsequenzen trägt. Das Wirtschaftssystem basiert auf Investitionen, Konsum und Ausbeutung von Arbeitnehmer*innen und natürlichen Ressourcen, aber diesmal sterben sie und bringen Sie mit der Entschuldigung der Pandemie direkt in eine andere Krise. Wenn all dies geschieht, werden wir uns von unseren „demokratisch“ gewählten Vertretern zu unzähligen Reformen führen lassen, die von der Europäischen Union auferlegt wurden und nur die Rettung der Oligarchien und die Verarmung unseres Lebens anstreben. Bei alledem ist klar, welche Position wir einnehmen sollten und welche Alternativen wir haben.

Mit dem aktuellen Szenario haben wir uns für Selbstorganisation, gegenseitige Unterstützung und Konfrontation entschieden: Obwohl wir diese Krise nicht erzeugt haben, liegt die Verantwortung für ihre Lösung bei uns und nicht beim Staat. Dies könnte also ein guter Zeitpunkt sein, um zu demonstrieren, dass unser Ruf nach Solidarität keine leere Phrase ist. Zeigen wir, dass ein Leben ohne Staat nicht nur möglich, sondern notwendig ist.

Am 1. Mai werden wir mit dem vorherrschenden Polizeistaat sicherlich nicht in der Lage sein, wie in anderen Jahren demonstrativ auf die Straße zu gehen, aber dies sollte kein Hindernis für die Durchführung von Aktionen gegen den Staat, die Hauptstadt, in Solidarität mit den im Kampf befindlichen Gefangenen sein.

Achtet auf mögliche Ankündigungen!
1. Mai – Wir bekennen uns schuldig!


Heraus zum 1. Mai – Antiautoritäre Fahrraddemo

Auch während der Pandemie läuft die kapitalistische und repressive Staatsmaschinerie weiter. Im Schatten der COVID-Verordnungen und Einschränkungen des öffentlichen Lebens werden neue, noch repressivere Polizeigesetze verabschiedet, lang erkämpfte Arbeitsschutzgesetze verändert, geflüchtete Menschen in den deutschen Lagern weiter isoliert und eingesperrt, die europäischen Außengrenzen militarisiert und abgeschottet, während die Morde von Nazis und Faschisten in der BRD medial und politisch unter den Teppich gekehrt werden. Gerade die Auswirkungen des COVID-19-Virus zeigen deutlich die menschenunwürdigen Mängel der kapitalistischen Gesamtscheiße:

Prekäre Beschäftigte und 450€-Jobber_innen verlieren ihre Arbeitsplätze, das ohnehin schon zusammengesparte Gesundheitssystem betreibt Krisenregulierung auf dem Rücken der schon zuvor am Limit arbeitenden Beschäftigten. Die bereits lange existierende Unterfinanzierung zum Schutz und der Unterstützung von Menschen ohne Obdach, mit psychischen Erkrankungen, Opfer von häuslicher Gewalt und viele andere verschärfen sich weiter.

Während der Staat das primär auf eine Subventionierung der Wirtschaft abzielt, schreit diese nach Jahren fetter Gewinne auf Kosten der Beschäftigten nach noch mehr Subventionen und weiterer Deregulierung des Arbeitsmarktes. Diese durch die Covid19-Pandemie verstärkte wirtschaftliche Krise wird in ihrer Folge wieder auf die Arbeiter_innen, Migrant_innen und die sozialen Systeme abgeladen werden.

Dagegen gilt es: uns zu organisieren, Arbeitskämpfe zu verstärken, uns zu vernetzen und die internationale Solidarität nicht nur zu beschwören, sondern praktisch werden zu lassen!

Also – jede Menge gute Gründe unseren Widerspruch zu diesem System auf der Straße deutlich zu machen!

Zusammen möchten wir die frohe Kunde der intergalaktischen Solidarität verkünden. Bringt eure Lieblingsmusik + Boombox mit und lasst uns durch die Stadt rollen. Achtet auf Aktualisierungen auf tacker!

Achtet während der Kundgebung und Demo auf ausreichend Abstand zu anderen Menschen und tragt eine Vermummung für Nase und Mund!


Für einen anarchistischen 1. Mai 2020 in Leipzig und überall!

Wir rufen auch dieses Jahr dazu auf den 1. Mai als Kampftag gegen den Kapitalismus, gegen Nationalismus, gegen das Patriarchat und gegen jeder anderen Form von Herrschaft und Ausbeutung zu begehen.
Auch wenn der Staat die Situation für sich nutzt, um Widerstand zu verhindern und zu delegitimieren, so können wir doch vielfältige Aktionsformen wählen um unsere Wut über die bestehenden Verhältnisse und die Liebe für ein Leben in Freiheit auszudrücken.

Der 1. Mai ist seit Jahren in der BRD geprägt von ritualisierten DGB Demonstrationen in den Städten , Nazidemos besonders im Osten Deutschlands und alkoholisierter Männergruppen überall dazwischen. Doch hatte er einst einen kämpferischen Ursprung und ist Teil einer anarchistischen Arbeiter*innenbewegung.

So liegen die Anfänge dieses Tages in den USA, genauer gesagt im industriell geprägten Chicago der 1880er Jahre. Hierhin emigrierten viele Sozialist*innen und Anarchist*innen, die in ihren Europäischen Heimatländern aufgrund ihrer politischen Einstellung verfolgt wurden.
Schon zu dieser Zeit wurde die Durchsetzung des 8-Stundentages als Forderung formuliert. Als Kampfmittel wurde um den 1. Mai 1886 zum Streik aufgerufen, dem landesweit 350 000 Arbeiter*innen folgten.

Repression war die Antwort von Seiten des Staates, der damit die Interessen des Kapitals verteidigte. Die Polizei wurde gemeinsam mit privaten, von den Unternehmen angeheuerten Söldnertrupps, auf die Streikenden gehetzt. Dabei wurden am 3. Mai vier Arbeiter bei einer Versammlung der Holzarbeitergewerkschaft erschossen. Am darauf folgenden Tag kam es deshalb zu einem Protest auf dem Haymarket in Chicago. Die sich auflösende Versammlung wurde von Polizeieinheiten angegriffen und es detonierte eine Bombe, die von einer bis heute unbekannten Person geworfen wurde. Im Chaos eröffnete die Polizei das Feuer auf die fliehenden Menschen und tötete dabei viele. Durch die Explosion wurden ebenfalls sieben Polizisten getötet, was eine weitere Welle der Repression gegen die Arbeiter*innenbewegung scheinbar legitimierte. Hunderte Sozialist*innen, Kommunist*innen und Anarchist*innen wurden verhaftet, um sie aus dem Verkehr zu ziehen und den Widerstand gegen kapitalistische Ausbeutung zu brechen.
Sieben Anarchisten wurden als vermeintliche Täter des Bombenattentats von den Ermittlungsbehörden herangezogen und nach einem Schauprozess wurden fünf zum Tode und weitere zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach sieben Jahren wurden die Verurteilten vom neuen Gouverneur zu „Opfern der Justiz“ erklärt, da es von Beginn an keinerlei Beweise gegen die Beschuldigten gab. Deren freiheitliche, politische Überzeugungen waren für die Polizei und Justiz Grund genug.

Dies war ein sehr kompakter Abriss der Geschehnisse von vor über 130 Jahren, die Arbeiter*innen weltweit dazu veranlasste den 1. Mai als Tag der Organisierung und des Widerstandes gegen Ausbeutung und bestehende Herrschaftsverhältnisse zu sehen.

Doch auch heute noch im Jahr 2020 sind die bestehenden Verhältnisse anzuprangern. Die Lage spitzt sich weiter zu. Es sind die Tage einer neuen Krise des Kapitalismus, nicht ausgelöst von einem Virus, sondern von der kapitalistischen Logik selbst. Der Staat geht mit dieser Logik Hand in Hand. So besteht bei entstehen dieses Aufrufs eine Ausgangsbeschränkung, für die meisten Aktivitäten außerhalb von Lohnarbeit und Konsum. Der Staat nimmt tiefe Eingriffe in die Freiheiten der Menschen vor. Das Auslesen von Handydaten um Bewegungsprofile zu erhalten und die Aufhebung der Versammlungsfreiheit sind zwei davon.
Dies erfolgt unter großer Zustimmung der Bevölkerung.

Bei den Forderungen nach sozialer Distanzierung werden die psychischen Folgen außer acht gelassen. Weitere Vereinsamung, Depression und steigende Suizidraten werden ein Resultat davon sein. Stimmen, die dabei wieder nicht gehört werden, sind die von häuslicher Gewalt betroffenen Personen. Frauen*, Trans- und queere Menschen werden die Fluchtmöglichkeiten aus patriarchalen Verhältnissen verwehrt. Durch das Wegfallen von Kinderbetreuung und Schule verschärft sich die Situation von Alleinerziehenden weiter.

Lohnarbeiten gehen ist dagegen weiterhin erlaubt. Dabei ist in Frage zu stellen ob ein zwei Meter Sicherheitsabstand oder andere Hygienevorschriften, die ja nun zur Arbeitssicherheit zählen sollten, im Büro, an der Werkbank oder im Handel eingehalten werden können.
Besonders für die Angestellten in den Supermärkten erhöht sich die Arbeitsbelastung enorm. Die Diskussion über zwölf Stundenschichten und Wochenendarbeit mit Aussicht auf jetzt schon sehr knappen Lohn, sowie erhöhtes Risiko von Altersarmut für diese Menschen, lässt uns auf die Geschehnisse vor 130 Jahren verweisen als Arbeiter*innen für den acht Stunden Tag kämpften. So sind zwar Verbesserungen der Arbeitsverhältnisse zu begrüßen, jedoch können diese, wie derzeit zu sehen, in einem kapitalistischen System auch schnell wieder verschwinden. Dies verdeutlicht erneut, dass dieses System an sich überwunden werden muss.

Legitimation für staatliche Maßnahmen, wie die Ausgangssperre, soll zudem der Schutz von Menschen in Risikogruppen gegen das Covid-19 Virus sein. Da der Staat über Jahre des Gesundheitssystem zurückgefahren und privatisiert hat, wird er bei starker Zunahme der kritischen Krankheitsfälle nicht mehr in der Lage sein, seine „sozialstaatliche“ Funktion, die Gesundheitsversorgung, zu gewährleisten. Auch im medizinischen Bereichen und der Pflege sind prekarisierte Menschen wieder sehr gefragt und erhalten bloß symbolische Anerkennung durch Zuspruch von Politiker*innen oder applaudierenden Menschen auf Balkonen. Von Applaus und schönen Worten werden sich diese Menschen jedoch keine Wohnung im Alter oder ihre eigene Versorgung bei Arbeitsunfähigkeit leisten können. Grund dafür, ist ebenfalls die Verfolgung einer kapitalistischen Logik, in der Profit einen höheren Wert hat als Menschenleben.

Das die staatliche Versorgungslogik ausschließend ist, zeigt sich dabei offen. Menschen ohne deutschen Pass sind oft von diesen ausgenommen. Im Bereich der Landwirtschaft werden Jahr für Jahr Menschen aus anderen Ländern zum Arbeiten nach Deutschland gebracht, um für Niedriglohn zu arbeiten und den Hierlebenden billige Lebensmittel zu ermöglichen. In Zeiten von Covid-19 sollen diese Menschen nur unter strengen Gesundheitskontrollen hierher gebracht werden um keine neue Infektionen zu „importieren“. Unter zwangsarbeiterrischen Verhältnissen sollen sie dann auch ihre Unterbringungen oder Arbeitsstätten nicht verlassen dürfen.
Dabei verlief die Ausbreitung von Covid-19 in Europa mehr über privilegiertere Geschäftsreisende und Urlauber aus eher teureren Erholungsgebieten. Menschen aus prekären Verhältnissen bekommen jetzt die repressiven Mittel am ehesten zu spüren.

Die Landesgrenzen werden für Schutzsuchende geschlossen.
Geflüchtete, die schon hier sind werden ihren Unterkünften unter Quarantäne gestellt und von privaten Security Angestellten und der Polizei misshandelt und daran gehindert sich frei zu bewegen. Dies macht den freiheitsentziehenden Charakter dieser Institution noch offensichtlicher.

Gefangene in Knästen verlieren das Recht Besuch zu erhalten, was oft der einzige Kontakt nach außen ist. Dies verstärkt die Isolation. Wie es um den Gesundheitszustand der Gefangen steht, bleibt somit auch verborgen. Auch hier ist in Frage zu stellen, wie Menschen vor Infektionen geschützt werden sollen, wenn sie auf kleinsten Raum zusammengepfercht und Hygieneartikel nur zu überhöhten Preisen erhältlich sind. Das Personal, was der Einfuhrweg für Viren ist, arbeitet nicht mal mit entsprechender Schutzausrüstung.

Außerhalb der EU, an den Außengrenzen verschärfen sich die Verhältnisse in dortigen den Geflüchtetencamps dramatisch. Ein Mangel an medizinischer Versorgung und unhygienische Verhältnisse herrschten dort schon lange. Staaten wie die Türkei nutzten die Krise, um politisch Druck auf ihre Gegner*innen zu machen. So kappt die Türkei durch Staudämme und von ihr kontrollierte Wasserwerke die Wasserversorgung in den selbstverwalteten kurdischen Gebieten, wo auch viele Geflüchtete Schutz fanden.
Die EU übernimmt weiter keine Verantwortung. Dafür ist ein Rückschritt in nationale Denkweisen zu beobachten.

Eine anarchistischen Utopie steht dem genau entgegen. Solidarität endet nicht an erdachten Ländergrenzen, nicht an konstruierten Geschlechterrollen und auch nicht daran, ob Menschen es sich leisten können für ihre Gesundheit, ihr Essen, ihre Wohnung, ihre Bildung, bezahlen zu können. Die Verantwortungsübernahme gegen ungerechte Zustände fängt schon bei uns selbst an. Lasst uns für eine gerechtere Welt kämpfen!

Denn auch nach Corona steht uns die Krise nach der Krise bevor. Bereits jetzt werden, wie auch 2008, Unternehmen und Konzerne mit staatlichen Mitteln unterstützt. Lohnabhängige erhalten keine direkte finanzielle Hilfe, wie es durch ein Grundeinkommen möglich wäre. Dabei sind sie es, die besonders darunter leiden. Sie verlieren ihre Einkommensmöglichkeit, können ihre Miete nicht mehr zahlen, müssen sich verschulden und werden damit noch abhängiger von ausbeuterischen Verhältnissen.

Deshalb rufen wir auch dieses Jahr dazu auf den 1. Mai als Kampftag gegen den Kapitalismus, gegen Nationalismus, gegen das Patriarchat und gegen jeder anderen Form von Herrschaft und Ausbeutung zu begehen.
Auch wenn der Staat die Situation für sich nutzt, um Widerstand zu verhindern und zu delegitimieren, so können wir doch vielfältige Aktionsformen wählen um unsere Wut über die bestehenden Verhältnisse und die Liebe für ein Leben in Freiheit auszudrücken.

Daher rufen wir in Leipzig und überall zu dezentralen Aktionen auf…

• Lasst uns die Konflikte und politischen Inhalte in den öffentlichen Raum tragen
• Lasst uns die bestehenden Verhältnisse angreifen
• Lasst uns unsere Alternativen in die Praxis umsetzen

…und das auch über den 1. Mai hinaus!


Revolutionary Abolitionist Movement: Aufruf zum autonomen Handeln am 1.Mai

Während tödlichere Krankheiten kamen und gingen, befindet sich die Welt mit der COVID-19-Pandemie nun in einer einzigartig katastrophalen Lage, da sie die ganze Welt gleichzeitig betrifft. Da der Kapitalismus in einigen Gebieten auf der Stelle tritt, der Staat sich weigert, Ressourcen kompetent zuzuweisen, Millionen Menschen ohne Arbeit sind und die marginalisierten Gemeinschaften bereits die Hauptlast des Virus tragen, sind die Widersprüche unserer gegenwärtigen Weltordnung offensichtlicher als je zuvor in der jüngeren Geschichte. Während die Rechtsextreme und das kleinbürgerliche Element der Gesellschaft mit Protesten reagieren, in denen sie die Rückkehr zur Tagesordnung fordern, und zwar mit einer gefühllosen Missachtung jeglicher Sicherheitsmaßnahmen und dem Lob des Präsidenten.

Am anderen Ende des Spektrums haben wir Technokrat*innen aus dem Silicon Valley und Altgeldimperialisten, die versuchen, die Krise zu kapern, um auf eine dauerhaftere Form der technologischen sozialen Isolation zu drängen, was wir von ganzem Herzen zurückweisen müssen. Die Krise ist in Wirklichkeit ein wahrhaft amerikanisches Phänomen. Vielen Orten auf der ganzen Welt ist es gelungen – mit einer Vielzahl von Techniken – die mit der Pandemie verbundenen gesundheitlichen, sozialen und politischen Probleme zu lindern. Die USA hingegen befinden sich in einer raschen, die Welt verändernden Krise, und dies vor allem wegen der Besonderheiten der amerikanischen Gier, der Bösartigkeit des amerikanischen Rassismus und der Ignoranz der amerikanischen herrschenden Klasse. Die USA waren noch nie näher an einem totalen Zusammenbruch, und dieser ist fast vollständig selbst verschuldet.

Die Linke scheint heute auffallend abwesend zu sein. Offen gesagt, diese Situation hätte schon lange vorhergesagt werden können. In den letzten vier Jahren, in denen Trump im Amt ist, hat sich die radikale Linke stark in Richtung Karrierismus und zunehmenden Opportunismus verschoben. Wir erleben selbst ernannte Anarchist*innen, die für Bernie Sanders, die Sozialdemokratie und sogar für Elizabeth Warren und Joe Biden demonstrieren. Früher haben wir bei unseren Kundgebungen die Journalist*innen hinausgeworfen und ihre Kameras zerstört, in der Überzeugung, dass wir nicht versuchen, das Spektakel nachzuahmen, sondern diese entfremdete Welt insgesamt zu zerstören. Es ist kein Wunder, dass die radikale Linke angesichts all dessen zahnlos zu sein scheint, wenn die Gesellschaft zusammenbricht.

Ironischerweise überschneidet sich die Pandemie mit dem beginnenden Maifeiertag. Während viele linke Gruppen anscheinend verschwunden sind, drängt Trump darauf, zum 1. Mai wieder zur Tagesordnung überzugehen.

Angesichts der gegenwärtigen Krise und um daran zu erinnern, dass der Kapitalismus, die weiße Vorherrschaft und der Staat nach wie vor die größten Hindernisse für die Lösung der Probleme sind, mit denen wir konfrontiert werden, rufen wir gemeinsam mit Genoss*innen in aller Welt zu autonomen Aktionen am 1. Mai diesen Jahres auf. Im Gegensatz zur extremen Rechten liegt uns das Leben der Menschen tatsächlich am Herzen, und wir halten es für gut, dass keine Großkundgebungen geplant sind. In der Tat eröffnet dies die Möglichkeit den Tag für sinnvollere Aktionen als die typischen routinemäßigen Paraden, die jedes Jahr stattfinden zu nutzen.

Deshalb rufen wir für dieses Jahr Revolutionär*innen auf der ganzen Welt auf, kreativ und autonom zu handeln und damit zu beginnen, die Institutionen und Personen zu entlarven, die für die immer verzweifeltere Situation verantwortlich sind, in der wir uns heute alle befinden.


Schwarz-Roter 1. Mai in Hamburg

Während einer Pandemie zu demonstrieren wirft Fragen und Kritik auf. Warum wir uns trotz des Corona-Virus entschlossen haben, auf die Straße zu gehen, erklären wir hier.

Wir befinden uns momentan in einer Situation, wie sie die BRD noch nie gesehen hat. Das Corona-Virus bedroht die Gesundheit aller und der Staat reagiert mit einem restriktiven Maßnahmenpaket, das unsere Grundrecht auf beispiellose Art und Weise einschränkt. Der Clou an dieser Sache: Eine breite Mehrheit der Bevölkerung begrüßt die Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die der Verbreitung von COVID-19 Einhalt gebieten sollen.

Auch wir wollen selbstverständlich nicht, dass sich die Pandemie ausbreitet, auch wir machen uns Sorgen um die Gesundheit und das Leben unserer Familien, Freund*innen und Genoss*innen. Trotzdem wollen wir uns das Recht auf Demonstrationen, auf politische Betätigung und auf freie Meinungsäußerung nicht nehmen lassen. Ein Widerspruch, den wir nicht ganz auflösen können, aber dennoch hier erklären wollen.

Einschränkung der Grundrechte

Polizei an jeder Ecke, die Auflösung von Gruppen über zwei Personen, Strafgelder fürs Lesen auf einer Parkbank, Verbote von Demonstrationen, kurz die massivsten Eingriffe ins öffentliche Leben in der gesamten Geschichte der BRD, sollen die Verbreitung von Corona einschränken. Es werden Ideen diskutiert, die von wenigen Monaten noch für viele unvorstellbar waren. Apps sollen unsere Bewegungen speichern um infizierte Menschen zu separieren, Nachbar*innen denunzieren sich und die Bundeswehr soll Abhilfe schaffen.

Wir können nachvollziehen, dass viele Menschen nach jedem Strohhalm greifen, der sich in dieser bedrohlichen Situation bietet. Aber wir sind sehr misstrauisch, wohin das alles führen kann. Während wir es auch sinnvoll finden, Abstand zu waren wo es möglich ist und Hygienevorgaben einzuhalten, fürchten wir uns vor dem Danach. Werden all die neuen Rechte der Polizei wieder eingeschränkt? Haben wir uns an den Anblick von Uniformen an jeder Ecke so sehr gewöhnt, dass es niemandem auffällt, wenn sie bleiben? Wird das inzwischen angepasste und verschärfte Seuchenschutzgesetz in Zukunft bei jeder missliebigen Demonstration hervorgekramt um sie zu verbieten? Wir wissen es nicht, wir wollen keine Panik und erst recht keine Verschwörungstheorien verbreiten. Aber wir werden aufmerksam bleiben und dem Treiben des immer autoritärer agierenden Staates nicht einfach zusehen. Auch DNA-Analysen sollten ursprünglich nur bei „Kapitalverbrechen“ eingesetzt werden und werden nun schon bei Einbrüchen genutzt. Werkzeuge die den Repressionsapparaten einmal überlassen wurde, geben diese nur sehr ungern wieder her.

Unabhängig von der weiteren Entwicklung darf kein Staat unkritisiert bleiben. Gerade in der jetzigen Situation ist es unabdingbar, eine kritische Öffentlichkeit zu schaffen und auch jenseits des digitalen Raums Kritik am den Verhältnissen zu formulieren.

Heuchlerische Prioritäten des Staats

Während das politische Leben außerhalb der Parlamente (und teilweise auch darin) und das öffentliche Leben von Privatpersonen massiv eingeschränkt wird, ist weiterhin erlaubt, was den Motor des Kapitalismus am Laufen erhält. Klar, Betriebe sind angehalten, Homeoffice zu ermöglichen. Aber wo das nicht funktioniert, sind Großraumbüros und der Weg zur Arbeit im wie üblich schlecht ausgebauten ÖPNV erlaubt. Dass diese Orte ein geringeres Infektionsrisiko darstellen, als Demonstrationen unter offenem Himmel, kann niemand glauben. Wer kein Glück hat und weder im Homeoffice noch im Betrieb arbeiten kann, von Kurzarbeit Betroffene, Student*innen, prekär Beschäftigte sind angeschmiert, wenn sie nicht unter den Corona-Schutzschirm passen, Großfirmen bekommen aber Milliardenhilfen, sogar wenn sie nachweislich Steuern hinterziehen.1 Aber das nur nebenbei.

Richtig mies, noch mieser als sonst, läuft es momentan aber für prekär Angestellte, für Erntehelfer*innen, und Arbeiter*innen in den Warenlagern der durch die Krise boomenden Versandhäuser. Nicht nur, dass bei ihnen wie üblich nichts vom dicken Mehrgewinn ankommt, sie sind auch besonders von Ansteckung bedroht. In den Baracken der deutschen Spargelindustrie zum Beispiel hat sich das Corona-Virus ausgebreitet und es gab schon Todesfälle.2 In den Lagerhäusern von TNT in Italien macht sich Protest bemerkbar, denn auch dort verbreitet sich das Virus massiv.3 Das soll erlaubt sein, aber Demonstrationen nicht? Ein schlechter Witz auf Kosten der arbeitenden Klasse.

Wer sich ansteckt und im Krankenhaus landet, hat dann das zweifelhafte Vergnügen, Bekanntschaft mit einem teilprivatisierten Gesundheitssystem zu machen. Jetzt sehen wir, wo der Weg hinführt, wenn das Gesundheitssystem Profit abwerfen soll. Die Ärtzt*innen und Pflegekräfte werden als Held*innen beklatscht. Schön, sie sind Held*innen und verdienen Anerkennung. Aber zum Applaus aufzurufen, während tausende Stellen im Gesundheitssektor wegrationalisiert werden, und die restlichen überarbeiteten Kräfte zu beschissenen Löhnen knechten, ist zynisch. Wo bleibt das harte Durchgreifen des Staates hier? Warum können hier keine Gesetze gemacht werden? Warum werden Krankenhäuser nicht vergesellschaftet? Wäre das nicht wichtiger? Nein, wo Kapitalinteressen angegriffen werden müssten, ist von den Gesetzgeber*innen nichts zu hören, wie üblich. Es zeigt sich einmal mehr, dass der Staat nicht ohne die Profitmaschinen kann und alles tut, sie zu schützen. Auch auf unsere Kosten.

Wir sind dazu bereit, unsere politische Arbeit zurückzuschrauben und der Situation anzupassen, um die Pandemie zu bekämpfen und haben das auch schon getan. Aber unter den genannten Umständen ist es absolut unverhältnismäßig, die außerparlamentarische Opposition einzustellen. Der Preis dafür ist zu hoch, der Gewinn nicht vorhanden, wenn die Freiheit für die Gesundheit geopfert werden soll, die Gesundheit dann aber dem Kapital zum Fraß vorgeworfen wird.

Den Nazis keine Chance geben

In Harburg haben wir an diesem 1. Mai zu allem Überfluss wieder einmal das Problem, dass Nazis versuchen den Kampftag der Arbeiter*innenbewegung für sich zu vereinnahmen. Dass das aus historischer Sicht Quatsch ist und dass die „Lösungsansätze“ der Faschist*innen menschenfeindlich sind und noch nie Besserungen für Lohnabhängige mit sich gebracht haben dürfte allen klar sein und soll deshalb hier nicht weiter diskutiert werden.

Es könnte sich das Argument aufdrängen, dass es das Beste wäre, die Nazis zu ignorieren und zu hoffen, dass diese sich mit einer Demonstration trotz Corona ein propagandistisches Eigentor schießen. Aus unserer Sicht wäre das fatal. Die Faschist*innen von NPD und Die Rechte versuchen mit dieser Demonstration, so wie mit allen ähnlichen Aktionen, Fuß zu fassen. Dieses Mal eben in Harburg. Auch die Nazis wissen, dass sie mit Gegenwind rechnen müssen. Wenn dieser ausbliebe, Corona-Krise oder nicht, würde das zwangsläufig als Erfolg für die Faschist*innen verbucht. Von den Nazis selbst und auch von der Öffentlichkeit. Unabhängig davon, darf es niemals unwidersprochen bleiben, wenn die Menschenfeinde marschieren. Gerade in Zeiten des Rechtsrucks müssen wir zeigen, dass die antifaschistische Bewegung handlungsfähig ist. Denn wenn die Faschist*innen Morgenluft wittern, kommen sie wieder und machen sich breit. Das bedeutet für alle, die nicht in ihr Weltbild passen unmittelbare Gefahr für das Leben und die Gesundheit. Spätestens diese Einsicht rechtfertigt Aktionen in der Öffentlichkeit, auch wenn ein gefährliches Virus im Umkreis ist. Denn COVID-19 wird die Medizin hoffentlich bald in den Griff bekommen. Für die Nazis sind wir zuständig. Denn der Staat, der nur diejenige Öffentlichkeit einschränkt, die ihm nicht gefällt, wird gegen die Faschist*innen nichts unternehmen.

Ob wir die Kundgebung verhindern können oder nicht, ob sie verboten wird oder nicht: Die Nazis dürfen keinen Fuß auf die Straße bekommen. Ob in Harburg oder anderswo. Ob am 1. Mai oder an jedem anderen Tag. Lasst uns unsere Politik nach außen tragen und jeden Tag für eine bessere Welt kämpfen.

Kommt am 1. Mai nach Harburg, zeigt Flagge für eine bessere Welt und vermiest den Nazis den Tag.

Solidarität statt Repression – Gemeinsam gegen Corona, den Polizeistaat und den Rechtsruck

Das Bündnis Schwarz-Roter 1. Mai HH
FAU Hamburg
Das Plenum der SKF Harburg

1: Vgl. z.B.: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/corona-steuer-oasen-101.html
2: https://twitter.com/arbeitsunrecht/status/1253293053726658560
3: https://twitter.com/labournettv/status/1253233485847965697


Aufruf zu einer gemeinschaftlichen Aktivität am 1. Mai ab 18 Uhr in Berlin-Kreuzberg

Evakuiert Moria! Heraus zum Revolutionären 1. Mai!

Aufgrund der Corona-Pandemie werden wir in diesem Jahr zum 1. Mai nicht wie sonst zu einer Demonstration im klassischen Sinne aufrufen. Da wir angesichts der herrschenden rassistischen, kapitalistischen und patriarchalen Verhältnisse aber auch nicht passiv bleiben wollen, rufen wir zu einer Versammlung der besonderen Art auf. Der Beginn unserer Aktion ist kein zentraler Platz, sondern ein Gebiet. Dadurch können wir die Ansteckungsgefahr verringern und bleiben für den Repressionsapparat unkontrollierbarer. Das Gebiet liegt in Kreuzberg 36. Wir werden es am Vormittag des 1. Mai über Twitter (@rev1maiberlin) und die Website (1mai.blackblogs.org) bekannt machen.
Begebt euch am 1. Mai bis 18 Uhr nach Kreuzberg 36 in, an und um dieses Gebiet. Haltet dabei den Mindestabstand ein und vermummt euch mit Schals oder Masken. Und bleibt in Bewegung. Ab 18.20 Uhr werden wir über Twitter und die Website nacheinander mit zeitlichem Abstand Orte in Kreuzberg 36 bekanntgeben, zu denen wir uns dann über verschiedene Wege begeben werden. Informiert die anderen, die kein mobiles Internet haben. Wir wollen die Straßen mit unseren antirassistischen, antipatriarchalen und antikapitalistischen Inhalten fluten, die Zielorte, die wir jeweils mit einer Uhrzeit angeben, sind nur kurze Zwischenstopps. Auf unterschiedlichen Neben- und Seitenstraßen kommen wir dorthin, werden unsere Inhalte vermitteln und uns danach zerstreuen, um uns bald wieder woanders zu begegnen.
Der 1. Mai ist, was wir alle daraus machen. DIY! Überlegt euch, wie ihr auf diesen Wegen und all den Orten eure Botschaften auf Tüchern, mit Transparenten, lauten Parolen und Wurfzetteln verbreiten könnt oder mit Rauchtöpfen, Sprühereien und Farbbeuteln Akzente setzt. Wir werden dabei in die Breite gehen. Unsere Bewegungsfläche ist der ganze Kiez. Mit unserem Aktionskonzept wollen wir möglichst vielen Menschen ermöglichen, sich an den Protesten am 1. Mai zu beteiligen. Jede*r nach ihren eigenen Vorstellungen und Risikobereitschaft. Ob allein mit einem Plakat, gemeinsam mit Freund*innen und Genoss*innen, in kleinen Gruppen, mit Fahrrad oder zu Fuß oder auch von Hausdächern und Balkonen aus, ihr selbst bestimmt wie eure Aktionen aussehen. Wenn es Absperrungen durch die Polizei gibt, versuchen wir diese zu umgehen, zu umfließen oder darum herum zu wuseln. Seid dabei achtsam, vermeidet enge Zusammenkünfte und bleibt stets in Bewegung. Der 1. Mai ist keine Party, sondern ein Kampftag für eine befreite Gesellschaft. Um 20 Uhr sollen im ganzen Kiez Feuerwerke gezündet werden. Beteiligt euch dabei von euren Dächern, Balkonen und von den Straßen.
Seit der Corona-Krise unterdrücken die Repressionsbehörden unter dem Vorwand des Infektionsschutzes vielerorts politische Proteste. Auch wenn bei Aktionen auf Schutzmaßnahmen wie Abstand geachtet wird, werden Demonstrant*innen mit Repression überzogen, dabei gibt es vielfach erst mit dem Einschreiten der Polizei ein Ansteckungsrisiko, da sie weder Masken tragen noch Abstände einhalten. Wir nehmen die Schutzmaßnahmen ernst. Wir werden am 1. Mai verantwortungsvoll handeln. Und wir erwarten, dass die Polizei am 1.Mai-Wochenende auch Abstand hält. Wenn es dennoch am 1. Mai zu Festnahmen kommt, meldet euch beim Ermittlungsausschuss. Wie jedes Jahr gilt auch in diesem Jahr ganz besonders: Wir werden niemanden mit der Repression allein lassen. Gemeinsam mit EA und Roter Hilfe wird sich auch das Bündnis um Repressionsfälle kümmern und Solidarität organisieren.

Unser politischer Schwerpunkt am 1. Mai ist der Kampf gegen die Festung Europa. Mehr als 20 000 Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflüchtet sind, befinden sich im Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos, welches für 3000 Personen ausgelegt war. Dort herrschen katastrophale Bedingungen, es gibt kaum Wasser, kaum medizinische Versorgung und Abstandsregeln können nicht eingehalten werden, wenn Menschen auf kleinstem Raum zusammenleben müssen. Ein Ausbruch des Coronavirus würde zu einem Massenstreben führen. Lediglich 47 Kinder hat die BRD bisher aufgenommen. Während für 250.000 deutsche Tourist*innen alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, ist dem deutschen Staat das Schicksal der Geflüchteten völlig egal. Menschen ertrinken im Mittelmeer, während die EU nicht nur tatenlos zuschaut, sondern mit der EU-Grenzagentur Frontex die Abschottung weiter vorantreibt. – Moria evakuieren! Fähren statt Frontex!
In der BRD müssen Geflüchtete auf engstem Raum in Sammellagern leben. Auch schon vor Corona war das Leben für Geflüchtete durch fehlende Privatsphäre, Angst und Isolation geprägt. In den Massenunterkünften sind sie jetzt zudem einem großen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Statt einer dezentralen Unterbringung werden Geflüchtete in der Corona-Krise noch weiter abgeschottet und Lager werden komplett unter Quarantäne gestellt. – Wohnungen statt Lager! Bleiberecht für alle!
Während Geflüchtete und Migrant*innen vom deutschen Staat verfolgt, eingesperrt und abgeschoben werden, bereitet die rechte Hetze von AfD, Werteunion und anderen den Boden für faschistische Anschläge wie in Hanau am 19. Februar. Anfang April wurde Arkan Hussein Khalaf in Celle von einem Deutschen ermordet, der sich im Internet mit rassistischen und antisemitischen Gedanken umgeben hat. Rassistische Drohungen, Diskriminierung und Gewalt gehören hierzulande zum Alltag von Migrant*innen und People of Color. Im Zuge der Ausgangsbeschränkungen wegen Corona verstärkt sich Racial Profiling, das heißt rassistische Kontrollen im öffentlichen Raum. – Alle zusammen gegen Rassismus und Faschismus!
Kriege und Waffenexporte gehen auch in der Krise unvermindert weiter. Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat bereits angekündigt im Mai eine hohe Dividende an die Aktionär*innen auszuschütten. Trotz der Pandemie produzieren Konzerne weiter und gehen für Profite über Leichen. Amazon macht riesige Gewinne in der Krise auf dem Rücken der Beschäftigten, die unzureichend vor dem Virus geschützt sind. Auf Proteste und Streiks reagierte der Konzern mit Entlassungen. Das Pflegepersonal in den Krankenhäusern arbeitete schon vor Corona am Limit, denn Krankenhäuser wurden kaputtgespart und nach der kapitalistischen Profitlogik ausgerichtet. Vor allem Frauen* leisten schlecht bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit im Bereich der Pflege von Alten und Kranken, der Kinderbetreuung, der Reinigung und Hausarbeit. Durch Corona werden bestehende patriarchale Verhältnisse noch verstärkt, die Ausgangsbeschränkungen verstärken zudem patriarchale Gewalt. – Für die soziale Revolution! Kapitalismus und Patriarchat überwinden!

Am 1. Mai gehen wir auf die Straße für eine solidarische Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung. Trotz dem notwendigen physischen Abstand, lassen wir uns nicht vereinzeln, sondern handeln kollektiv und solidarisch! Der 1. Mai sind wir alle – alle gemeinsam gegen Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat!

Bündnis Revolutionärer-1.-Mai Berlin